Vortrag: Wider die Perfektion. Ein Lob der Selbstoptimierung

Wer mag mit mir am Dienstag, den 09.12. um 18.15 Uhr in der Muschel der JGU Mainz den o. g. Vortrag besuchen ? Im Anschluss könnten wir noch im Baron auf dem Campus einkehren.

-------------------------------------

In Deutschland drehen sich Diskussionen über Selbstoptimierung oft um ihre als negativ wahrgenommenen Aspekte: Perfektionismus, Suchtpotenzial, Entfremdung, Kommerzialisierung, Selbstüberwachung, Rationalisierung, Quantifizierung … Dies sind zwar unbestreitbar kontroverse Aspekte moderner Selbstoptimierung, doch diese beschränkt sich keineswegs auf sie. Weitgehend unbeachtet von Kritischer Theorie und Kulturpessimismus kann Selbstoptimierung auch mündige, emanzipatorische, eigensinnige, widerständige Formen annehmen – ob bei der Prävention und Früherkennung von Krankheiten, bei Versuchen, sich von traditionellen Autoritäten zu emanzipieren und Autonomie zu erlangen, oder in (ehemaligen) Subkulturen wie Hip-Hop und Straight Edge Hardcore Punk, wo "self-improvement" und "self-growth" auch eine gesellschaftliche Dimension haben. Einseitig negative Kritik übersieht aber nicht nur diese spezifischen Ausprägungen der Selbstoptimierung, sondern auch ihre anthropologische Dimension. Was der Philosoph Helmuth Plessner die "exzentrische Positionalität" und die "natürliche Künstlichkeit" des Menschen nannte, hat zur Folge, dass wir uns unablässig in dynamischen Umwelten neu orientieren müssen – und folglich auch optimieren. Für Menschen als "Former und Bildner [ihrer] selbst" (Pico della Mirandola) ist Selbstoptimierung ein existenzieller Normalzustand, allen Trivialisierungen zum Trotz. "Optimierung" sollte dabei nicht mit "Perfektionierung" verwechselt werden. Während Optimierung einen pragmatischen Versuch meint, unter konkreten Bedingungen das Bestmögliche zu erreichen, ist Perfektionierung ein so abstraktes wie utopisches Unterfangen, das in Resignation und Frustration umschlägt. Selbstoptimierung ist das beste Mittel gegen die Fährnisse des Perfektionismus.

Jörg Scheller (*1979) ist Professor für Kunstgeschichte am Departement Fine Arts der Zürcher Hochschule der Künste und Gastprofessor an der Kunsthochschule Posen, Polen.

Organisiert von
Marco aus Ingelheim am Rhein
Di. 09.12.2025 von 18:00 bis 20:00 Uhr
1 Teilnehmer

Interesse geweckt? Jetzt kostenlos registrieren!

Du bist nur einen Klick entfernt. Die Registrierung dauert nur 1 Minute.